Der Baum

Ich liebe es in der Natur zu sein, in ihr zu lesen und von ihr zu lernen. Dabei habe ich festgestellt, dass die Natur für fast jedes Problem des gesellschaftlichen Zusammenlebens eine Lösung bereithält. Dies liegt daran, dass die Natur keine Vorurteile kennt, nicht berechnend ist, sondern immer im Fluss. In ihr werden Ungleichgewichte sofort ausgeglichen, Lücken gefüllt und Fülle und Schönheit direkt wieder hergestellt. Es gibt keine Verschwendung, sondern lediglich die optimale Nutzung der vorhandenen Mittel.

Am letzten Wochenende fuhr ich mit dem Fahrrad an einem Feld vorbei, in dessen Mitte ein einzelner Baum stand, umgeben von anderen Bäumen. Mir fiel sofort auf wie symmetrisch dieser gewachsen war, wie er sich zu allen Seiten ausbreitet und den Raum um ihn herum optimal nutzte. Während andere Bäumen die im Wald oft dicht nebeneinander stehen, sich mit ihren Ästen verhaken oder sich verbiegen müssen, um die beste Position für das Sonnenlicht zu erreichen, so hatte dieser Baum ausreichend Platz sich zu entwickeln.

Dabei kam mir der Gedanke, dass wenn wir unsern Kindern auch Raum geben sollten, damit sie sich in ihrer Gänze entfalten können. Dabei meine ich nicht den kleinen Raum, den abgesteckten Raum, den Raum den die Bäume am Straßenrand erhalten. Die Bäume die zurechtgestutzt werden und in Form geschnitten, so wie wir uns dies vorstellen, sodass sie den Raum, den wir ihnen angedacht haben perfekt ausfüllen. Nein, ich meine das wir unseren Kindern den Raum geben sollten, den sie brauchen.

Jetzt könnte die Frage aufkommen: „Wie weiß ich denn wie viel Raum sie brauchen?“ Und dies ist nur durch Beobachtung und Vertrauen, durch Ausprobieren und hören auf seine Intuition möglich. Denn der Raum, den jedes Kind benötigt ist, unterschiedlich. Einige brauchen ein ganzes Fußballfeld, wohingegen andere Kinder den starken Baum an ihrer Seite benötigen, in welchem Schatten sie geborgen wachsen können. Wenn wir uns aber trauen in das Potenzial unserer Kinder zu vertrauen, wenn wir zudem in unsere eigene Intuition vertrauen wie viel Raum unsere Kinder benötigen dann können wir sie zu einem majestätischen Baum heranwachsen sehen. Ein Baum der in der Mitte eines Feldes steht, oder einem Baum der zu voller Größe neben einem alten umgefallenen Baum heranwächst und dessen Platz einnimmt.

Wichtig ist aus meiner Sicht es zu versuchen. Sich selbst und unseren Kindern zu vertrauen und ihnen wie Goethe bereits so treffend sagte Wurzeln und Flügel zu verleihen. Die Wurzeln die ihnen in der Umgebung und dem Untergrund, auf dem sie wachsen, halt geben und Flügel, die in unserem Beispiel die Äste sind, die sich weit ausbreiten dürfen, die ihre Umgebung erkunden dürfen und sich so weit strecken dürfen und so viele Erfahrungen machen dürfen wie sie brauchen. Frei von Vorurteilen, Ängsten und gesellschaftlichen Zwängen.

Diese Freiheit und Raum für das Kind funktioniert, wenn wir als Eltern unseren Kindern Wurzeln geben, halt, Zuversicht, Vertrauen in ihr eigenes Sein. Denn auch der robustest Baum fällt im Sturm um, wenn er keine starken wurzeln ausgebildet hat. Wenn wir unsere Kinder also wie Bäume, deren Samen zu Boden gefallen sind und Keimen über die Wurzeln mit einer Zuckerlösung versorgen, nähren und sie bei ihrem Wachstum begleitend zur Seite stehen, wenn wir in das Vertrauen, was in ihnen liegt, auch wenn dieses manchmal so abstrus aussieht, dann bilden sie starke Wurzeln aus. Sie fühlen sich verbunden und gleichzeitig durch ihre eigenen erzeugten Wurzeln standhaft und dem Leben gewachsen.

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Ein Mensch in perfekter Balance

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Wie?